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Mikromagnetismus und Elektronenmikroskopie

Daniele (aka Daniel Hofmann) hat mich eingeladen, diesen Artikel für die phi-6 zu schreiben und mein Forschungsgebiet und unsere Arbeitsgruppe vorzustellen, und ein wenig Einblick in die Arbeit am Institut für Angewandte und Technische Physik zu gewähren. Dieses wird übrigens mit Beginn des Jahres 2002 mit dem Institut für Experimentalphysik zusammengelegt und dann unter dem Namen "Institut für Festkörperphysik" weitergeführt. Zuvor will ich aber kurz erzählen wie ich selbst in die Arbeitsgruppe von Josef Fidler gekommen bin:

Dr. Hörl hat mich am Ende seiner Vorlesung über Elektronenmikroskopie an die weiterführende Lehrveranstaltung von Josef Fidler [1] verwiesen. Zusätzlich habe ich jene über magnetische Materialien [2] besucht. Nachdem die Vorlesungen mein Interesse für das Forschungsgebiet der Dauermagnete geweckt hatten, habe ich eine Projektarbeit bei Prof. Fidler gemacht, die Diplomarbeit und jetzt (fünf Jahre nach dem Besuch der Vorlesungen) arbeite ich noch immer in dieser Arbeitsgruppe und schreibe an meiner Dissertation.

Zu unserer Arbeitsgruppe gehören derzeit neben Josef Fidler [3] und Thomas Schrefl [4] noch ein Post-Doc, einige Dissertanten (zu denen ich gehöre), zwei Diplomanden und Studenten, die ihre Projektarbeiten durchführen. Wir beschäftigen uns hauptsächlich mit Permanentmagneten und erforschen ihre Eigenschaften und ihr Verhalten mit zwei sehr unterschiedlichen Methoden, die sich aber sehr gut ergänzen: Mikromagnetische Simulationen und Elektronenmikroskopie.

Mit Hilfe elektronenmikroskopischer Untersuchungen (mit analytischen Transmissionselektronen- und Rastermikroskopen) können wir die Mikrostruktur und die Zusammensetzung der magnetischen Proben untersuchen. Im Rahmen eines EU-Projekts arbeiten wir derzeit an Hochtemperatur-Permanentmagneten, die bei Betriebstemperaturen von bis zu 450 °C noch einsetzbar sind. Dabei eignen sich besonders gesinterte SmCo-Magnete, die durch ihre zellulare Struktur (Abb. 1) sehr gute magnetische Eigenschaften aufweisen. Wir untersuchen dabei sowohl Proben, die bei anderen Projektpartnern hergestellt wurden, als auch solche, die in unserem eigenen Pulvermetallurgielabor erzeugt wurden. Mit einem neuen Lorentzmikroskop können wir bald auch die magnetische Struktur, die Bildung von magnetischen Domänen und das Wandern von Domänenwänden direkt im Mikroskop untersuchen.

TEM Bild

Abb. 1: TEM Bild der zellularen Struktur eines SmCo-Magneten (Aufnahme von Thorsten Matthias).

Bevor man so schöne Bilder machen kann, ist aber ein wenig Arbeit nötig: Zur Herstellung der eigenen Magnete im Labor wird das meist in Pulverform vorliegende Material, das sehr leicht oxidiert und daher in einer Handschuhbox unter Schutzatmosphäre (Argon) verarbeitet wird, geeignet gemischt, gepresst und im Ofen gesintert und wärmebehandelt. Nach dem Abkühlen wird eine kleine Probe durch Schneiden, Schleifen, Polieren und Dünnen präpariert, bis sie nur noch wenige Mikrometer dick ist, und kann schließlich im Transmissionselektronenmikroskop untersucht werden. Im "normalen" Hellfeldbild (das in einer Bildebene des Mikroskops erzeugt wird - siehe Abb. 1) sieht man die Mikrostruktur, d.h. die Größe der magnetischen Körner, die Größe von Zellen und Zellbegrenzungsphasen, und es ist dabei interessant, wie sie sich ändert, wenn man die Zusammensetzung und den Herstellungsprozess (z.B. Dauer und Abfolge der Temperaturstufen bei der Wärmebehandlung) variiert. Durch das Beugungsbild (das in einer Brennebene des Mikroskops entsteht) einzelner Körner kann man deren Kristallstruktur bestimmen, mit der Hochauflösungsmikroskopie das Kristallgitter sogar abbilden und mit der Röntgenstrahl-Mikroanalyse die Elementzusammensetzung untersuchen.

Die elektronenmikroskopischen Untersuchungen werden ausgezeichnet durch die numerischen Computersimulationen der Magnetisierungs­vorgänge ergänzt. Da wir uns besonders für magnetische Domänenstrukturen interessieren, verwenden wir eine Theorie, die auf einer Längenskala von einigen Nanometern bis in den Bereich von Mikrometern Aussagen über die Magnetisierung, Remanenz und Koerzitivität von magnetischen Materialien erlaubt: die Theorie des Mikromagnetismus.

Die grundlegenden Arbeiten zu dieser Theorie stammen von Landau und Lifshitz aus dem Jahr 1935 und William Fuller Brown, der die Bezeichnung "Mikromagnetismus" geprägt hat. Im Rahmen dieser Theorie wird die Magnetisierung eines Körpers als kontinuierliche Funktion des Ortes beschrieben. Die örtliche Auflösung ist damit auf einige Elementarzellen beschränkt, da die atomaren Details der Magnetisierung (bzw. Elektronendichte, ‑energie, ‑spin) nur mit quantenmechanischen Methoden untersucht werden können. Andererseits ist es uns damit möglich, magnetische Domänenstrukturen zu untersuchen, die zu groß für quantenmechanische ab-initio Rechnungen sind.

Zu Beginn wurden nur analytische Berechnungen ("mit Papier und Bleistift") durchgeführt, mit denen ideale Domänenwände, einfache Ummagnetisierungsprozesse und Domänenstrukturen untersucht werden konnten. Heute kann man durch numerische Computersimulationen viel realistischere (und damit kompliziertere) Simulationen durchführen [5]. Für die mikromagnetischen Rechnungen haben wir unsere eigenen Computerprogramme geschrieben (in Fortran, C und C++), die ständig weiterentwickelt werden. Die Simulationen laufen dann auf Großrechnern des ZID, Alpha-Workstations und leistungsstarken PCs [6].

Für das oben erwähnte EU-Projekt haben wir das Verhalten von Domänenwänden in SmCo-Magneten berechnet. Abhängig von der Materialzusammensetzung und Temperatur haften die Domänenwände mehr oder weniger gut an der zellularen Ausscheidungsstruktur. Dieses Verhalten können wir durch die Computersimulationen im Detail studieren und "in den Magneten hineinschauen". Außerdem können wir mit den Materialparametern "spielen" und so den Experimentatoren einen Hinweis geben, wie sie z.B. das Koerzitivfeld oder die Remanenz der Magnete verbessern können.

Ein zweites interessantes Anwendungsgebiet ist die Untersuchung magnetischer Speichermedien. Mikromagnetische Simulationen leisten dabei einen wichtigen Beitrag zur enormen Steigerung der Speicherkapazität moderner Festplatten. Derzeit wird gerade der Umstieg auf eine neue Technologie vorbereitet: Bisher sind die einzelnen Bits durch kleine Bereiche codiert, deren (fast) homogene Magnetisierung in der Ebene der Speicherplatte liegt ("longitudinal recording"). Um die Speicherkapazität weiter zu erhöhen soll in Zukunft die Magnetisierung senkrecht zur Ebene der Speicherplatte stehen ("perpendicular recording"). Damit kann mehr Bits auf kleinerem Raum unterbringen und damit die Speicherdichte erhöhen, ohne die thermische Stabilität der gespeicherten Information (=Magnetisierungsrichtung) zu gefährden. Mikromagnetische Rechnungen erlauben die Simulation der Vorgänge beim Schreiben der Information (Magnetisieren der Speicherschicht) und deren Optimierung. Die Kornstruktur des Materials (polykristallines CoCr), die Dicke der Speicherschicht, die Form, Größe und Entfernung des Schreibkopfes, etc. haben großen Einfluss auf die Geschwindigkeit des Schreibprozesses (wichtig für hohe Datenraten), die Stabilität der magnetischen Domänen (um die Daten nicht gleich wieder zu verlieren) und den Signal/Rausch-Verhältnis beim Lesen der Daten.

3D Modell Magnetisierung

Abb. 2: 3D Modell eines polykristallinen Co-Nanoelements und Magnetisierungsverteilung während des Ummagnetisierungsprozesses (Thomas Schrefl).

Im nächsten Schritt wird man zu "patterned media", d.h. magnetischen Speicherschichten mit künstlich erzeugter Struktur übergehen. Dadurch kann man die Form und Größe der Bits (Nanoelemente) bei der Herstellung selbst bestimmen und die magnetischen Domänen besser kontrollieren. Auch dazu haben wir Computersimulationen durchgeführt und konnten zeigen, welchen Einfluss die Form und Größe der Nanoelemente auf das Ummagnetisierungsverhalten hat (Abb. 2). Derzeit wird auch an magnetischen Speichern gearbeitet, die im Gegensatz zu den heute üblichen Halbleiterbauelementen für Hauptspeichermodule in Computern, die Information in Form elektrischer Ladungen in Kondensatoren (SDRAM) speichern, auf magnetischer Basis arbeiten (MRAM). Da die Magnetisierung auch ohne Strom erhalten bleibt, ist es ein nicht-flüchtiger Speicher, der die Information behält, auch wenn der Computer abgeschaltet wird, und sehr sparsam beim Energieverbrauch ist. Schließlich gibt es auch Pläne für rein magnetische Computer, deren logische Schaltungen nur aus magnetischen Bauelementen zusammengesetzt sind.

Auf dem Gebiet der magnetischen Materialien gibt es also noch viele interessante Fragen, die wir versuchen, mit Hilfe elektronenmikroskopischer Untersuchungen und mikromagnetischer Simulationen zu beantworten. Im Rahmen internationaler Forschungsprojekte arbeiten wir auch eng mit der Industrie zusammen. Damit sind auch regelmäßige Beiträge auf internationalen Konferenzen und Auslandsaufenthalte bei Forschungsgruppen in der ganzen Welt verbunden.

Wenn auch ihr dabei mitarbeiten wollt, dann wendet euch per email an Josef Fidler [3] oder Thomas Schrefl [4] oder besucht uns am Institut für Angewandte und Technische Physik im Freihaus der TU im 8. Stock im gelben Turm. Weitere Informationen über unsere Arbeitsgruppe sind auf unserer Homepage [7] zu finden.

Werner Scholz
werner.scholz (at) tuwien.ac.at

Referenzen

  1. Fidler, VO 133.293
    Grundlagen der Elektronenmikroskopie/I
    http://www.lzk.ac.at/lva/tuwien/133.293
  2. Fidler, VO 133.019
    Physics of Magnetic Materials
    http://www.lzk.ac.at/lva/tuwien/133.019
  3. email: fidler(at)tuwien.ac.at
  4. email: thomas.schrefl(at)tuwien.ac.at
  5. Schrefl, VO 133.048
    Computational physics
    http://www.lzk.ac.at/lva/tuwien/133.048
  6. /projects/projects.html#subnetz
  7. http://magnet.atp.tuwien.ac.at


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werner.scholz (at) tuwien.ac.at
Nov. 5, 2001